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Rituale helfen auch zu Hause
aus: Rituale geben Sicherheit. Uta Reimann-Höhn. Herder Verlag 2001
Der Zeitpunkt für die Erledigung der Hausaufgaben sollte gut gewählt sein und immer eingehalten werden, damit das Kind möglichst ausgeruht und störungsfrei arbeiten kann, und verlässlich nach der ausgemachten Zeitspanne seine Arbeit beenden kann.
Die Leistungsphasen sind bei jedem Kind unterschiedlich, manche sind direkt nach der Schule topfit, andere benötigen eine Ruhepause, um sich dann mit neuer Kraft den Hausaufgaben widmen zu können. In einigen Familien wird es auch sinnvoll sein, diese Arbeitszeit auf einen noch späteren Zeitpunkt zu legen, weil vielleicht ein Baby vorher zu Bett gebracht werden muss oder die Eltern erst spät von der Arbeit heimkehren. Wichtig ist in jedem Fall, dass ein Erwachsener in der Nähe ist, um eventuelle Rückfragen geduldig und entspannt beantworten zu können.
Boris (8) ist nicht gerne alleine, auch nicht bei seinen Hausaufgaben. Da aber in seiner großen Familie selten jemand die Zeit hat, sich bei den Aufgaben neben Boris zu setzen, hat er sich eine andere Hilfe ausgedacht. Er holt sich sein Kaninchen ins Zimmer und gibt ihm Futter, dass dieses dann während der Hausaufgaben frisst. Wenn Boris fertig ist, erklärt er die Futterpause für beendet und bringt das Haustier wieder zurück in seinen Käfig.
Auch der Ort, an dem das Kind arbeitet, sollte nicht wechseln. Ein überschaubarer Arbeitsplatz, ohne störendes Radio oder Fernseher, an dem ein Lexikon bereitsteht, Papier und Stifte, verhilft zu einer klaren Struktur. Das Kind wird die gleich bleibende Uhrzeit, den Ort und die Anwesenheit eines Erwachsenen schnell als konstanten Rahmen für seine Aufgaben zu schätzen wissen.
Viele Kinder erledigen ihre Hausaufgaben gerne in der Küche, während Mutter oder Vater kochen, aufräumen oder ebenfalls am Tisch sitzen und etwas lesen oder schreiben.
Manchmal werden die Hausaufgaben durch Hände waschen eingeleitet, durch ein bestimmtes Lied oder eine kleine Zwischenmahlzeit zur Stärkung. Jede dieser Handlungen vermittelt dem Kind, dass es sich nun für eine feste Zeitspanne mit den unumgänglichen Hausaufgaben beschäftigen wird.
Simone (8) fällt es nicht leicht, den gestiegenen Leistungsanforderungen in der dritten Klasse nachzukommen. Mittags, wenn sie heimkommt, ist sie meistens sehr müde und hat keine Lust, ihre Hausaufgaben zu erledigen. Um die täglichen Auseinandersetzungen zu beenden, die es um die Hausaufgaben gibt, haben Simone und ihre Mutter eine Vereinbarung getroffen. Gemeinsam haben sie einen Plan erstellt, der die tägliche Hausaufgabensituation festlegt. Als Uhrzeit wählten sie 16 bis 17 Uhr, weil Simone sich nach der Schule gerne etwas ausgeruht und danach ihre Lieblingssendung im Fernsehen anschaut. Außerdem ist Simones Mutter dann schon einige Zeit zuhause und ebenfalls ausgeruht. Sie nutzt diese Stunde, um in der Küche das Abendessen vorzubereiten und einen Einkaufsplan für den kommenden Tag zu erstellen. Beide haben also genau die Stunde für die Hausaufgaben reserviert und fest eingeplant, in der sie sich weder durch Telefonanrufe noch durch unangemeldete Besuche stören lassen. Die Abfolge der einzelnen Fächer ist genau festgelegt. Da Simone besonders ungern rechnet, macht sie diese Hausaufgaben zuerst, um sie schnell hinter sich zu bringen. Sind diese Aufgaben erledigt, dann wendet sie sich sichtlich entspannt dem Schreiben und Lesen zu, oder bastelt noch etwas für den Sachunterricht. Nach Ablauf der Stunde, egal ob die Hausaufgaben vollständig erledigt sind oder nicht, spielen Simone und ihre Mutter noch etwas nach der geleisteten Anspannung. Beide mögen am liebsten Galgenmännchen, Schiffe versenken oder Kniffel.
Andere Kinder haben Schwierigkeiten, sich den engen Zeitplänen und den geforderten Richtlinien der Schule anzupassen. Sie vergessen einfach Aufgaben, weil sie sie für nicht so wichtig erachten. Der so genannte Ernst des Lebens ist ihnen noch nicht klar, wenn die Schultür ins Schloss fällt möchten sie auch bis zum nächsten Tag nicht mehr daran denken.
Die achtjährige Svenja besuchte die zweite Klasse und vergaß regelmäßig, welche Hausaufgaben sie aufhatte. Erst behauptete sie, es wäre nichts auf, später fiel ihr plötzlich ein, dass sie noch Rechenaufgaben zu erledigen hatte, und da sie vergessen hatte welche denn genau, begab sie sich abends ans Telefon und fragte ihre Freundin danach. Wenn dann die Aufgaben noch am späten Abend oder morgens vor dem Frühstück gemacht werden mussten, war Svenjas Mutter gereizt, das Mädchen müde und alle am Rande ihrer Leistungsfähigkeit. Um dieses Problem besser zu lösen, durfte sich Svenja ein besonders schönes Heft aussuchen, das sie nun als Hausaufgabenheft in der Schule benutzte. Jeden Tag direkt nach der Schule schauten sich Svenja und ihre Mutter gemeinsam das Heft an und überlegten, wann sie die Aufgaben machen sollte. Als Anerkennung für die ordentliche und vollständige Heftführung erhielt Svenja am Wochenende manchmal ein kleines Geschenk.
Besonders bei der Durchführung von Ritualen für Schule und Lernen ist es wichtig, die ausgemachten Vereinbarungen auch möglichst konsequent einzuhalten. Dies ist nicht immer einfach, da es in einer Familie viele Personen, viele Termine und Verpflichtungen gibt, die einen zunichte machen können. Stellt es sich heraus, dass ein Ritual immer wieder an den Umständen scheitert, sollte es unbedingt neu überdacht und gegebenenfalls verändert werden. Die Familie bestimmt das Ritual - und nicht andersherum.
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